Schwarzes Leid, weisser Blick

Bild: Dana Schutz
Darf eine weisse Künstlerin das Motiv schwarzen Leidens aufgreifen? New Yorks Kunstwelt ist so tief gespalten wie schon lange nicht mehr.
Es gibt ein höchst kontroverses Werk in der diesjährigen Biennale des New Yorker Whitney-Museums, ein Video, in dem ein junger Mann fast zu Tode geprügelt wird. Jordan Wolfsons Virtual-Reality-Installation «Real Violence» zeigt den Künstler, wie er gnadenlos auf sein am Boden liegendes Opfer einschlägt. Es ist ein Gewaltakt, der sich mittels der Technik in der Tat wie «reale Gewalt», nämlich beinahe physisch, mitteilt.
Diese Attacke ist auch ein Übergriff auf den Betrachter, der, mit Kopfhörern und einer 3-D-Brille ausgestattet, nicht nur zur Zeugen-, sondern zur Mittäterschaft verurteilt wird. Man sollte meinen, dass dieses Video zwar laute Proteste, aber nicht den Ruf nach Entfernung auslöst. […]
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Andrea Köhler wurde in Bad Pyrmont geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie in Braunschweig und Freiburg im Breisgau begann sie 1984 als freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Literaturkritik. Von 1991 bis 1994 arbeitete sie als Kulturkorrespondentin in Paris. Seit 1995 Mitglied der NZZ-Feuilleton-Redaktion, zunächst mit Zuständigkeit für die deutschsprachige Literatur; von 2001 bis 2018 lebte sie als Kulturkorrespondentin für die NZZ in New York. Im Jahr 2000 war sie Visiting Professor an der Washington University of St. Louis. 2003 erste Preisträgerin des Berliner Preises für Literaturkritik. 2004 Max Kade Fellowship und 2017 Fellowship der Bogliasco Foundation in Italien.