Ist jetzt endlich Schluss?

Bild: Still aus einem Musikvideo von Kim Boekbinder
Donald Trumps Hinterzimmer-Rhetorik ist genauso abgestanden wie die patriarchalische Ordnung, als deren letztes phallisches Aufbäumen er sich geriert.
Es fängt damit an, dass der nette Opa von nebenan beim «Hoppe-Reiter»-Spielen das Höschen der Kleinen von innen beäugt. Es geht damit weiter, dass der Nachbar der Elfjährigen in die knospenden Brustwarzen kneift. Kommt das Kind in die Pubertät, glaubt jeder Bauarbeiter am Strassenrand, den Mädchenkörper mit Pfiffen und Zoten benoten zu dürfen. In der Strassenbahn bekommt sie ein erigiertes Geschlecht in den Rücken gedrückt, im Bus werden Brust oder Hintern betatscht. In der Schule, im Studium, in der Arztpraxis oder im Job: Es gibt keine Frau, die von unerwünschten sexuellen Avancen verschont geblieben ist. Der Lehrer, der Chef, der Fremde – sexuelle Übergriffe, die auf nichts anderem gründen als dem uralten männlichen Privileg der Verfügungsgewalt, gehören zum weiblichen Lebenslauf wie die Jungfrauen zum islamistischen Attentat.
Wer an dieser Tatsache noch immer Zweifel hegt, kann sich aus gegebenem Anlass auf Twitter von der Ubiquität solcher Erlebnisse überzeugen. Die kanadische Schriftstellerin Kelly Oxford hat dort nach Donald Trumps jüngster Prahlerei mit sexuellen Übergriffen unter dem Hashtag #NotOkay ihre Geschlechtsgenossinnen aufgefordert, von den ersten einschlägigen Erfahrungen zu berichten. In Nullkommanichts erhielt Oxford mehr als 50 Einträge – und zwar pro Minute. Inzwischen sind es Millionen. […]
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Andrea Köhler wurde in Bad Pyrmont geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie in Braunschweig und Freiburg im Breisgau begann sie 1984 als freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Literaturkritik. Von 1991 bis 1994 arbeitete sie als Kulturkorrespondentin in Paris. Seit 1995 Mitglied der NZZ-Feuilleton-Redaktion, zunächst mit Zuständigkeit für die deutschsprachige Literatur; von 2001 bis 2018 lebte sie als Kulturkorrespondentin für die NZZ in New York. Im Jahr 2000 war sie Visiting Professor an der Washington University of St. Louis. 2003 erste Preisträgerin des Berliner Preises für Literaturkritik. 2004 Max Kade Fellowship und 2017 Fellowship der Bogliasco Foundation in Italien.